Colegio Alemán de Villarrica

Deutsche Schule Villarrica

108 años 1916 - 2024

Musik als kulturelle Brücke

DS Villarrica – Fortbildungsreise des Musiklehrers nach Deutschland

Im Juli 2019 besuchte Herr Francisco Gaete Deutschland mit dem Auftrag, sich über das deutsche Bildungswesen vertieft zu informieren und vor allem, die Bedeutung der Musik im Alltag verschiedener Schulformen zu erfahren. Das Ziel, so Schulleiterin Xenia Le-Quesne, bestand darin, ihrem Kollegen, der in der Deutschen Schule Villarrica von der ersten bis zur Abschlussklasse im Musikunterricht eingesetzt ist, eine Fortbildung zu ermöglichen, die sowohl kurz- , als auch mittel- und langfristig die Qualität des Musikunterrichtes erhöhen sollte. Die hervorragenden instrumentalen Kompetenzen von Herrn Gaete sollten um konkrete Einsicht in didaktische Settings und Möglichkeiten erweitert werden.

Francisco Gaete konnte eine Woche intensiv erleben, wie Musik in den Unterricht aller Fächer einfließt, wie Musikunterricht gestaltet werden kann und vor allem, wie Musik in ihrer Brückenfunktion über positives Erleben und Gestalten durch die Kinder selbst in der Sprachförderung und der Entwicklung kognitiver und sozialer Kompetenzen wirkt.

Er besuchte zwei Tage lang eine Gesamtschule, die Montessori-Schule Schweinfurt, an der im Juli gerade das diesjährige Jahresabschlusskonzert des Grundschulchores – bestehend aus ca. 80 Kindern – in gemeinsamer Aktion mit der Theatergruppe aus ca. 25 Schülern verschiedener Altersgruppen in letzter Vorbereitung und in der Präsentation zu erleben war. Die Verbindung von musikalischer Arbeit an Melodie und Intonation, Rhythmus und Dynamik mit genauester sprachlicher Arbeit und sozialer Interaktion innerhalb der Schülerschaft und zwischen Lehrpersonen und Schülern verdeutlichte die Funktion der Musik als Brückenfunktion in verschiedene Richtungen. Der Schulleiter, Herr Dr. Alban Schraut, von 2008 bis 2016 Leiter des LBI in Santiago, ermöglichte ihm auch das Hospitieren von Instrumentalunterricht in individuellem und Kleingruppenunterricht, welcher von den Instrumentallehrern in vernetzter Arbeit und Absprache mit den verantwortlichen Klassen- und Musiklehrern der Schule erfolgt. So können interessierte Schüler sowohl ein Instrument erlernen als auch sich in die altersübergreifende Klassengemeinschaft der Klasse 1 bis 4 und die musikalische Arbeit der Schulgemeinschaft einbringen.

Der nächste Hospitationsschwerpunkt lag auf der gestalterischen Umsetzung von Musik durch Bewegung. An einer staatlichen Grundschule in Würzburg wurde der Gast vom Schulleiter, Hernn Horst Peter, freundlich begrüßt und in der Pause im Kollegium vorgestellt. Hier erlebte Herr Gaete, wie Schüler unterschiedlichster kultureller und sprachlicher Herkunft gemeinsam ein musikalisches Theaterstück in Bewegungsformen umsetzten. Dabei hatten die Schüler einer zweiten Klasse viel Freiheit, selbst zu wählen, ob offener oder geschlossener Kreis, Doppelstirnkreis, Schlängelkreis, Kette, verschiedene Hand- und Schulterfassungen am besten den Text und die Melodie verstärkten. Selbstverständlich wurden dabei gleich die korrekten Fachbegriffe sofort mit der passenden Bewegung verbunden und somit auch ganz- oder teilkörperlich erfahren. Nach Absprachen unter den Kindern und mit der Lehrerin, Frau Maren Gronert, fanden die Schüler letztendlich die Bewegungsformen, die ihnen am meisten zusagten und setzten diese in der Gruppe auch sofort singend und tanzend um. Die farbliche Abstimmung des Musiktheaterinhaltes über Kostüme, die nicht etwa – wie es häufig in Chile üblich ist – von den Eltern finanziell geleistet wurde – sondern über den Austausch von Kleidungsstücken unter den Kindern erfolgte, beeindruckte ihn ebenso wie die soziale und sprachliche Interaktion der Kinder dazu. Eine kurze Szene sei hier im Nachhinein widergegeben. „ Ich habe noch ein hellblaues T-Shirt zu Hause. Ich bringe es dir morgen mit.“  „Nein, ich bin doch ein Mädchen, ein Vogelweibchen, ich möchte lieber ein hellblaues Kleid.“ „Bei meiner Tante liegen noch blaue Schläppchen, die hole ich am Wochenende.“ „Und ich frage meine Schwester, ob ich ihr hellblaues Kleid ausleihen darf, es wird dir passen.“ „Vielen Dank, ich freu mich schon.“ „Wir haben doch bei den Hunderterzahlen ein blaues glitzerndes Tuch, das kannst du für den Pferdeschwanz nehmen.“ Deutlicher lässt sich kaum veranschaulichen, wie Musik und Sprache sich auf der Brücke treffen.

Die Fachlehrerin für Werken und Gestalten hatte mit den Schülern  bunten Kopfschmuck und Armreifen gebastelt, welche, um farblich passende Federn ergänzt, die Vogelpärchen noch mehr strahlen ließen. Dabei kamen sowohl bekannte als auch neue Arbeitstechniken und Arbeitsmittel und der damit verbundene Wortschatz zum Einsatz, selbstverständlich eingebettet in das selbsttätige Handeln, welches sofort versprachlicht wurde. 

Ein weiterer Aspekt, den Herr Gaete an der musikalischen Arbeit am Stück „Die Vogelhochzeit“ nach Rolf Zuckowski erlebte,  lag im Klassenmusizieren. Die Schüler der zweiten Klasse gestalteten zwei Lieder des gesamten Musiktheaterstückes mit Blockflöten – hier kam kein Individualunterricht zum Tragen, sonders das Ergebnis eines einjährigen Klassenunterrichtes für alle Kinder, egal, wie lange sie bereits in Deutschland lebten, Deutsch als Zweitsprache in der Schule erlebten oder schon in Deutschland als Kind deutscher Eltern geboren waren, die musikalische Brücke war deutlich zu sehen. Fachbegriffe für das Spielen auf der Flöte und die gleichzeitige sängerische Gestaltung der Liedtexte gingen Hand in Hand. Mehr als überrascht war Francisco Gaete dann, als die gesamte Klasse eines seiner Lieblingsinstrumente spielte. Nach nur sechs Wochen Klassenunterricht auf diesem Instrument packten die Schüler der zweiten Klasse souverän und vorsichtig ihre bunten Sopran-Ukulelen aus, stimmten sie weitgehend selbstständig („Was ist das D mit dem Kreuz dahinter?“ „Das ist ein Dis, für das E musst du noch ein bisschen höher stimmen, dann hast du es.“) und spielten eine in der Vorwoche textlich und musikalisch erarbeitete Szene im Ukulelenorchester – sowohl im Melodiespiel auf den Saiten als auch mit dem ersten Akkord. Fransisco konnte hier erleben, wie seine eigenen instrumentalen Kompetenzen und die große Lebensfreude an instrumentaler Gestaltung sich hochwirksam auf Klassenunterricht übertragen lassen. Das Besondere an dieser Schulaufführung, nämlich die Zusammenarbeit dieser zweiten mit einer vierten Klasse, welche die instrumentale Begleitung mit Orff-Instrumenten und die sängerische Gestaltung der Lieder über Solo- , Duett- Terzett- und Quartettgestaltung aus dem normalen Musikunterricht heraus erarbeitet hatte, konnte er nur noch im Gespräch erfahren, aber leider nicht mehr erleben, da bereits der nächste Programmpunkt auf dem Plan stand. 

Um Bewegung und Musik ging es auch in einer altersgemischten Gruppe, die das brasilianische Capoeira intentsiv trainierte. Portugiesisch singend, sich gemeinsam achtsam zur Musik tänzerisch und spielerisch bewegend, Instrumenten spielend, interagierte am frühen Nachmittag eine Gruppe mit Schülern unterschiedlichsten Alters, unterschiedlichster Herkunft  und unterschiedlich langer Verweildauer in Deutschland. Trainingssprache war Deutsch, aber alle anderen sprachlichen Ansätze waren ebenso willkommen.

Am letzten Tag seines Aufenthaltes in Würzburg besuchte Fransisco das Musische Gymnasium Würzburg. Hier lernen Schüler von der fünften bis zur zwölften/dreizehnten Klasse neben Deutsch, Mathematik, Natur-und Gesellschaftswissenschaften und Fremdsprachen als weiteres Hauptfach ein Instrument ihrer Wahl und der Musikunterricht erfolgt doppelstündig pro Woche. Musik wird an diesem Gymnasium in den vielfältigsten Formen gelebt, es gibt mehrere Chöre, Instrumentalgruppen unterschiedlichster Zusammensetzung und Ausrichtung, Kammerorchester und große Orchester und Musik-Fachlehrer, die mit den Instrumentalfachlehrern eng zusammenarbeiten. Aber eben nicht nur mit diesen, sondern auch mit den Klassenlehrern und Fachlehrern der anderen Fächer, so fließen musikalisches Lernen und Leben auch in den Geographie-, Geschichts-, ja sogar Chemieunterricht mit ein. Der Schulleiter, Herr Weinert, begrüßte den Gast und mehrere Kollegen ließen Herrn Gaete einen ganzen Tag lang in ihrem Fachunterricht hospitieren, führten anschließend Fachgespräche und tauschten Ideen aus. Selbstverständlich lässt sich die hervorragende Ausstattung dieses Gymnasiums mit qualitativ hochwertiger Ausstattung an Instrumenten, Musiksälen und hochqualifizierten Musikpädagogen nicht direkt auf die Schulwelt in Villarrica übertragen, aber wie bei jeder Fortbildung gibt es dieses eine Mosaiksteinchen, das in Erinnerung bleibt und sich auf das eigene professionelle Tun übertragen lässt. Die Schulleiterin in Villarrica, Frau Xenia Le-Quesne, freut sich genau darauf. Das hat sie in ihrem Anschlussbesuch an die Fortbildung des Musiklehrers deutlich zum Ausdruck gebracht.

Und was wäre eine Fortbildung ohne Begleitprogramm? Einmal in Deutschland, erlebte Frasisco sowohl eine sechsstündige Aufführung von Wagners „Götterdämmerung“ im Mainfrankentheater, ein Kirchenkonzert des Monteverdichores (Laien, die sich für ein musikalisches Projekt zusammenfinden und unter professioneller Leitung für einen ganz speziellen Auftritt proben.) mit Orchester, das verschiedene Komponisten mit selten gespielten Werken bot, ein Jugendtheaterstück in englischer Sprache, ein Capoeira-Training in brasilianischem Portugiesisch, parallel begleitet von muttersprachlich sauberem Deutsch der Co-Trainerin mit Kindern aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturkreisen und und und… nicht zuletzt Hausmusik an Klavier, Schlagzeug, Gitarre, Saxophon und Ukulele mit den Kindern der Gastgeber. 

Wir als Deutsche Schule Villarrica möchten uns bei den Gastgebern und individuellen Fortbildnern in langen pädagogischen Gesprächen mit Herrn Gaete, Dr. Alban Schraut und Maren Gronert, herzlich für die offenen Schultüren und ihre Gastfreundschaft sowie die Vermittlung des Gymnasiums und Organisation des Aufenthaltes bedanken. Nach einer Phase der Auswertung und Überlegungen zur Anpassung bzw. Neuausrichtung unseres Musikunterrichtes, der dann möglicherweise auch die gemeinsame intensive sprachliche Arbeit, die an unserer Schule geleistet wird, mit einbezieht, wird sich die Brücke dann auch über den großen Ozean spannen..

DS Villarrica

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